Pro vs. Contra: Ist die KI als Coding Assistent effizient nutzbar?

Eindeutiges Ja.

Die Arbeit mit dem Code-Assistenten – ob es nun ChatGPT, Claude oder Claude Code ist – zwingt mich, meine Paradigmen und liebgewonnenen Standards zu hinterdenken.

Wenn man etwas sehr lange und regelmäßig tut, entwickelt man Lösungen für Problemstellungen, die mehr als einmal auftreten. Das ist ein Vorteil, denn diese Art der Standardisierung spart Zeit, verbessert die Qualität dessen, was man produziert, und sorgt somit direkt und indirekt für eine Effizienzsteigerung. Es ist gleichzeitig ein Nachteil, da man irgendwann ähnliche Probleme mit demselben Lösungsansatz angeht – weil man weiß, dass dieser Weg erprobt, kalkulierbar und sicher ist. Oder aus Faulheit. Manchmal beidem.

Die reine Programmierarbeit der KI zu übertragen, bedeutet nicht, einen halbwegs sauberen Prompt zu schreiben und danach auf ein Ergebnis zu warten. Es bedeutet auch nicht, sich in vielen Iterationen kleinteilig an ein akzeptables Ergebnis heranzuarbeiten – auch wenn das derzeit gerne als Königsweg propagiert wird.

Mit der KI Software zu entwickeln bedeutet, Design und Architektur kleinteilig zu dokumentieren und dem Coding-Assistenten zu erklären. Das zwingt mich zwangsläufig dazu, Lösungswege durchzudenken, zu artikulieren und in eindeutiger Form zu dokumentieren, wo ich bislang eher implizit aus der Erfahrung heraus loslegen konnte – schließlich habe ich das so schon ein paar tausend Mal gemacht.

Wer schon einmal jemandem ein Wort erklären musste, das man ja trittsicher verwendet, aber dann doch nicht so einfach akkurat erklären kann, versteht, wo die Herausforderung liegt.

Die Arbeit mit der KI erfordert logisches Denken, exakte Formulierung und ein klares, vollständiges Bild dessen, was man programmieren möchte. Diese aktive Auseinandersetzung mit den eigenen ausgetretenen Pfaden, festgefahrenen Paradigmen, Erfahrungswerten und impliziten Denkweisen fordert – und macht mich zu einem besseren Entwickler.

Ganz nebenbei: Mit der KI zu arbeiten heißt, die KI zu lernen. Sie als Werkzeug zu verstehen, Fehler zu machen, sich auf die Suche nach der Funktionsweise zu begeben. Und Lernen ist ein anstrengender, aber sehr lohnender Prozess.

Manchmal. 

Der Coding-Assistent hat Zugriff auf alle Dokumentationen aller Frameworks und Programmiersprachen, mit denen das zugrunde liegende Sprachmodell trainiert wurde. Er lernt konstant dazu – in einer Geschwindigkeit, die für mich unmöglich zu erreichen ist.

Allerdings schreibt der Assistent den Code, der als der passendste ermittelt wurde – durch zahllose Trainings-Iterationen – und nicht immer setzt sich der beste, sauberste und sicherste Code durch. Damit werde ich relativ früh und häufig konfrontiert, und auch das ist eine Lehrstunde in der Arbeit mit der KI – und etwas, das man ihr abgewöhnen muss.

Je umfangreicher die Arbeit mit der KI wird, desto länger wird das „Do not“-Cheatsheet, das ich am Anfang jedes Projekts an den Prompt anhänge.

Kommt auf die Aufgabe an. 

Schnell mal die richtige Syntax für ein CSS-Snippet oder eine PHP-Funktion finden?
Vor der KI habe ich die PHP-Dokumentation, Google oder Stack Overflow bemüht. Heute sagt mir die KI, was zu tun ist – meist mit einem Beispiel, und wenn ich etwas Kontext mitgebe, sogar fertig für Copy & Paste.

Risk: low. Impact: high.

3 000 Zeilen PHP-Code auf Syntaxfehler debuggen? Kann PhpStorm auch ohne KI.
Denselben Code auf Logikfehler überprüfen? Kriegt die KI besser hin – wenngleich sie auch hier keine fertige Lösung, sondern eher Lösungsansätze liefert.

Mein Linux verträgt sich nicht mit dem aktuellen GPU-Treiber?
Kiloweise Logdateien in den KI-Prompt werfen – klappt erstaunlich gut.

Komplexe Programmteile schreiben lassen? Ohne eine exakte Problembeschreibung, Hinweise zu einzuhaltenden Code-Standards, Do-not-Liste und Fehlersuche, wenn es dann doch nicht gleich funktioniert, keine gute Idee, wenn es um Effizienz geht. Ich verbringe mehr Zeit mit dem Drumherum als mit der eigentlichen Aufgabe.

Abertausende Zeilen Code einer bestehenden, über Jahre gewachsenen Software zum Refactoring und zur Weiterentwicklung an die KI abgeben? Lieber drucke ich das alles aus und tippe es noch einmal von Hand ab.

Eigentlich ja die interessanteste Frage von allen – zumindest aus kaufmännischer Sicht.

Auch hier die kurze Antwort: Aktuell nicht.

Die Gründe sind vielfältig: 

• Ich nutze den Coding-Assistenten und die KI nicht in Kundenprojekten für die aktive Generierung von Code. Dafür ist das Ganze schlicht zu unzuverlässig, zu arbeitsintensiv, zu fehleranfällig – und letztlich kann und will ich in einem bezahlten Projekt keinen Code einsetzen, den ich nicht selbst geschrieben oder zumindest vollumfänglich verstanden und abgenickt habe. Dann ist das Vibe-Coding schlicht kein echter Vorteil mehr – zumindest nicht aktuell.
• Kleinere Arbeiten, bei denen die KI wirklich eine Hilfe ist (Code-Recherche, Debugging), gehen schneller, fallen aber (noch) nicht wirklich ins Gewicht.

Das ist aus meiner Sicht der spannendste Teil, denn Veränderungen passieren – und das schnell.

Zwar sollte man jedem neuen KI-Feature, jeder neuen Gamechanger-Nachricht mit einer gehörigen Portion Skepsis begegnen, aber die rasante Entwicklung auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz lässt sich nicht ignorieren.

Was also, wenn die KI irgendwann weitgehend fehlerfreien Code ausliefert?

Ich habe mich nie als reinen Programmierer gesehen – vielmehr als Softwareentwickler oder Architekt. Der konzeptionelle Teil, die Arbeit mit dem Kunden, das Herausarbeiten der Anforderungen, die Erarbeitung eines Lösungswegs und die Erstellung eines Umsetzungsplans sind die wahrhaft spannenden Teile meiner Arbeit. Das Coding macht Spaß, ist aber letztlich ein Handwerk, das in den letzten Jahren immer weiter automatisiert wurde. Dass mir ein Tool die Arbeit des Tippens abnimmt, ist nichts Neues. Dass ein Coding-Assistent nun auch den größten Teil des Codes schreibt, auch nicht.

Schon heute kann ich mit Claude Code komplexe Softwareprojekte umsetzen, bei denen ich selbst keine Zeile Code mehr schreiben muss. Dafür fließt sehr viel mehr Arbeit und Überlegung in die Architektur und das Schreiben detaillierter Coding-Guidelines.

Es hat etwas durchaus Befriedigendes, nach tagelanger Ausarbeitung komplexer Umsetzungsspezifikationen, Korrekturschleifen, Sparrings mit der KI und Designskizzen endlich den Befehl „start with implementation“ zu geben – sich dann zurückzulehnen und der KI bei der Arbeit zuzusehen.